Hier gibt es nichts zu sehen, nichts zu hören, nichts zu erleben. Willkommen an einem Ort, an dem niemand mehr etwas verloren hat: der Harniskaispitze.

[Ich lege] viel Wert darauf, dass am Ufer auch ‚Freiräume‘ entstehen, also nicht alle verfügbaren Flächen gleich ‚für die Ewigkeit‘ fest bebaut werden. Denn ein so schöner Hafen muss auch erlebt werden können, bei Spaziergängen, Ballsport oder einem ‚Flens‘ an der Küste.

Dieses Zitat stammt von faberwirkt.de, der Webseite, mit der Simon Faber letztes Jahr in den Wahlkampf um das schönste Büro im Rathaus zog. Eines muss man dem inzwischen abgewählten Oberbürgermeister lassen: Er hat Wort gehalten, fest bebaut ist nichts an der Harniskaispitze. Mit einem Bierchen oder der Volleyballmannschaft verirrt sich allerdings auch niemand mehr hierher. Seit 15 Monaten verkommt das trostlose Brachland in bester Lage, das seinen Kurzzeit-Besuchern absolut nichts zu bieten hat.

Ein Meisterstück der Ironie

„Mehr Freiräume am Hafen“, so lautete eins von fünf politischen Zielen auf farberwirkt.de. Wer auch immer das geschrieben hat, beweist eine Menge Humor, ob beabsichtigt oder nicht. Denn nach dem Bestellen eines Räumungspanzers und hunderter Polizisten ausgerechnet von „Freiräumen“ zu sprechen, ist grandios ironisch. Schließlich nannte auch die vertriebene Luftschlossfabrik das besetzte Gelände ihren „Ort des Freiraums“– der Ort, der frühzeitig einer umfassenden Planung für das gesamte Flensburger Ostufer weichen musste.

Zum Jahrestag der Räumung trafen sich die Sympathisanten der Luftschlossfabrik, um die „Einweihung der Bürberbrache“ mit Sekt und einer Rede zu feiern.
Foto: Lennard Wencke

Ein Wettbewerb ohne Sieger

Die radikale Art, wie der Luftschlossfabrik im Februar 2016 der Garaus gemacht wurde, war eine peinliche Demonstration von Macht für viele Flensburger, die einige Wochen später den Weg zur Wahlurne antreten sollten. Zur Beruhigung rief Simon Faber zu einem Ideenwettbewerb auf: Jeder durfte sich Gedanken darüber machen, was man Schönes mit dem frisch gefegten Gelände anstellen kann – für eine Zwischennutzung bis 2018.

78 Ideen reichten die Flensburger ein, von denen nach dem ersten Aussieben 27 übrig blieben. Faber & Genossen präsentierten diese Konzepte öffentlichkeitswirksam im Mai 2016 gut gelaunt im Rathaus. Es ging um Sportanlagen, Gastronomie, kulturelle Angebote, Open Air-Bühnen, einen Park und Platz für Veranstaltungen. Alles nett, alles schön – so sieht Bürgerbeteiligung aus!

Doch realisiert wird keines der vorgeschlagenen Projekte. Etwa 360.000 Euro spuken durch den Raum, so viel soll die Räumung gekostet haben. Da bleibt leider kein Geld übrig für die Vorschläge des Fußvolks. Die Flensburger Politik hat mehrheitlich bestimmt, für die Kultivierung der toten Fläche keinen Cent zu investieren. Ein paar EM-Spiele flimmerten auf einer großen Leinwand, das war’s. Nicht einmal für eine Grünfläche oder Sitzbänke hat es gereicht. Für manchen riecht das nach Kalkül – schließlich vermisst man eine leblose Fläche weniger als einen entspannten Grillplatz, sollte dieser irgendwann städtischen Interessen weichen müssen.

Unterm Strich stehen nun also vertriebene Menschen und Projekte, eine gebeutelte Stadtkasse, ein lachhafter Ideenwettbewerb und ein Hektar braches Land. Herzlichen Glückwunsch zu diesem Glanzstück und herzlichen Dank, das hat sich ja wirklich gelohnt.

 

 

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mm
Autor

sortiert ihren Kleiderschrank nach Farben, ekelt sich vor Federn, hat eine „Emu-Gnu-Schwäche" und immer ein Paar Gummistiefel im Kofferraum.

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