Nur etwa zwei von zehn Frauen lassen die eigenen Schamhaare unrasiert. Denn dort, wo eigentlich die wenigsten zum Gucken kommen, herrscht immer noch ein strenges Frisuren-Regime.

Wer untenrum einmal vergleicht, sieht fast ausschließlich viktorianische Gärten. Die Wege sind gerade, das Gras gestutzt. Der sonntägliche Flaneur kann sich keiner Orientierungslosigkeit hingeben. Es kommt fast einem politischen Akt gleich, da das Mähen zu unterlassen. Jedenfalls lockt es andere Besucher an, linke Ökofreaks etwa, die sich um den Bienenbestand sorgen. Eher keine Gala-Leser, die über den Namen des dritten Kinds von William und Kate mutmaßen. Die besuchen keinen wilden Acker, wo ungehindert Senfblumen blühen, dieses Unkraut. Dafür tragen sie gar nicht die richtigen Schuhe.

Selina aber ist es egal, was irgendwelche potentiellen Besucher über ihren Garten denken. Der einzig Wichtige sitzt neben ihr und der findet ihren wunderbar. „Ach, es geht um deine Busch-Musch“, sagt Lukas, ihr Freund seit Bachelortagen. Zwischen ihm und Selina gibt es kein Herumgerede, keine verworrenen Metaphern für krauses Schamhaar. Die beiden sind ganz geradeheraus. Selina hat einen Busch und deswegen sind wir hier. Weil das für unsere Generation in einer Kleinstadt wie Flensburg schon reicht, um ein Ding zu sein.

Haare ja, aber bitte schön verpackt

Vor zwei Jahren hat sie es komplett gelassen, das Rasieren im Intimbereich. „Das muss im Winter gewesen sein. Ich wäre so nämlich nicht ins Freibad gegangen“, sagt sie. Selbstbestimmung hin oder her, Selina muss auch Abstriche machen. Denn selbst wenn Frauen mit langen Haaren im Schoß mittlerweile zur festen Besetzung öffentlicher Saunas gehören, ist es spätestens vorbei, wenn die Haare den Weg aus der Bikinihose suchen. Zumindest für Selina: „Jetzt stutze ich sie schon an den Seiten. Diese Art der Aufmerksamkeit will ich dann auch wieder nicht.“ Es ist ein Balanceakt zwischen dem, was akzeptiert ist und dem Versuch, sich sein zu lassen, wie man eben ist. „Mir ist wichtig, dass ich meine Haare als ganz normal annehme und mir nicht einreden lasse, die seien eklig“, betont sie.

Grafik: Karen Bartel

Waschen reicht

Generationen von Frauen nehmen die Intimrasur als Bestandteil ihrer täglichen Körperpflege hin. Hygienischer ist das gar nicht, da sind sich Frauenärzte mittlerweile sicher. Trotzdem toleriert nur jede zweite Frau den eigenen Wildwuchs. Selina glaubt, dass dabei der soziale Druck eine große Rolle spielt: „Ich habe mich quasi von Anfang an rasiert, als die ersten Haare kamen, ganz glatt, ohne das groß zu hinterfragen. Und dann mit festem Freund erst recht.“ Wie ihr geht es vielen Mädchen und jungen Frauen. Haare im Intimbereich heißen nicht umsonst Schamhaare. Negative Kommentare über den eigenen Haarwuchs verstärken das Gefühl, dass nur glatt klargeht. „Immer für alle rasiert zu sein, weil sich das so gehört – davon wollte ich weg  “, sagt Selina heute.

Frauen, die Haare haben, wo eben Haare wachsen, setzen sich zwangsläufig dem öffentlichen Meinungsfeuer aus. Als Madonnas Tochter im Winter auf einem Instagram-Foto mit Achselhaaren zu sehen war, drehte die Internetwelt durch. Wer sich nicht rasiert, wo die Konvention es vorschreibt, muss etwas aushalten können. Selina hat das auch schon erlebt: „Obwohl das ja eigentlich eine Nebensächlichkeit ist, habe ich da tatsächlich schon Diskussionen darüber geführt.“ Dieses Einmischen in das Keratin-Business eines anderen Unterhosenträgers wird gerne auch von männlicher Seite praktiziert. Wer sich dieser Art von Kommentaren über den eigenen Körper entziehen will, kann also nicht umhin, für Glätte zu sorgen. Selina gibt sich da keinen Illusionen hin: „Klar, stutze ich meine Haare auch und lasse nicht alles total wild wachsen, weil die Gesellschaft das von mir als Frau erwartet.“

Die Gesellschaft? Nicht alle. Man muss nur die richtigen Leute finden. „Mir is des wurscht“, sagt Lukas mit seiner Baden-Württembergischen Gelassenheit. „Und ich bin ja öfter da unten als du.“

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mm
Autor

würde auch während der Apokalypse keine Brille tragen und hält sich in den meisten Lebensfragen an die Lehren von Captain Jean-Luc Picard vom Raumschiff Enterprise.

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