Drei, zwei, eins – Jugger!

Zwei Mannschaften stehen sich gegenüber. Die Stimmung ist angespannt und feindselig. Mit Ertönen des ersten Schlages stürzen sich zwei Spieler auf einen blutigen Hundeschädel in der Mitte des Feldes, während andere mit Stäben und Eisenketten aufeinander einschlagen und sich die Knochen brechen.

Was nach einem ziemlich brutalen und schmerzhaften Kampf klingt, ist die Anfangsszene von „Jugger – Kampf der Besten“, einem dystopischen Film, in dem Mannschaften durch die Endzeitwüste wandern und sich mit solchen Kämpfen ihren Lebensunterhalt verdienen. In den Neunzigerjahren war der Film der Beginn eines neuen Mannschaftssports: Jugger. Was mit Liverollen- und Mittelalterspielen begann, hat sich inzwischen zu einer internationalen Szene entwickelt, die bis in den hohen Norden Deutschlands reicht. In Flensburg spielen die „Nordischen Sport-Amateure“ (NSA) seit 2014 zwei bis drei Mal wöchentlich.

Jugger – was ist das überhaupt?

Beim Jugger spielen zwei Mannschaften gegeneinander. Eine Mannschaft besteht dabei aus einem Läufer und vier Pompfern. Ziel ist es, den Jugg, der in Anlehnung an den Film die Form eines Hundeschädels hat, im Mal des Gegners zu platzieren. Er darf dabei nur vom Läufer berührt werden. Die anderen Spieler versuchen, die gegnerische Mannschaft mit verschiedenen Sportgeräten, den Pompfen, auf Abstand zu halten und zu treffen und ihrem Läufer so das Feld freizuhalten. Erzielt der Läufer einen Punkt, stellen sich die Mannschaften wieder neu an beiden Enden des Spielfelds auf und das Spiel geht weiter. Die Spieldauer wird beim Jugger nicht in Minuten, sondern in Trommelschlägen gemessen, die auch Steine genannt werden. Alle 1,5 Sekunden ertönt ein Schlag, ein Spiel dauert in der Regel zweimal 100 Steine. Wird ein Spieler von einer Pompfe getroffen, wird er inaktiv und muss am Boden kniend fünf Steine abwarten, bis er wieder aktiv am Spiel teilnehmen kann.

Bevor es mit dem Training so richtig losgeht, erklärt mir Ben von den NSA noch die verschiedenen Pompfen. Neben der Kurz- und Langpompfe gibt es noch den Q-Tip, der so heißt, weil er aussieht wie ein riesiges Ohrenstäbchen, den Stab, das Schild und die Kette. Sie ist aufgrund ihrer Reichweite besonders wirksam, um den Gegner auf Distanz zu halten. Alle Pompfen werden von den Spielern selbst gebastelt.

Jugger vereint Elemente aus verschiedenen Sportarten und erinnert beim Zusehen an eine Mischung aus Fechten, Stockkampf, Ringen und Rugby. Wer glaubt, das alles sei nur was für harte, bärtige Jungs, hat weit gefehlt, denn Jugger ist durchaus kein reiner Männersport. Anna ist nur eine von mehreren Frauen bei den NSA. Sie ist 23 und wie Ben seit einem guten Jahr dabei.

Kein Platz für blutrünstige Einzelkämpfer

Nach dem Aufwärmen wird dann auch endlich im Training gejuggert. Ich schnappe mir eine Langpompfe und los geht´s. Das Spiel beginnt mit dem traditionellen Schlachtruf „Drei, zwei, eins – Jugger!“. Die ersten Runden verbringe ich dabei ziemlich oft steinezählend auf dem Boden, denn es ist gar nicht so leicht, schnell zu sein, die gegnerischen Spieler auf Abstand zu halten und dabei selbst nicht von Pompfen berührt zu werden.

Im Gegensatz zum Film sind Knochenbrüche und blutige Verletzungen beim Jugger im Übrigen nicht an der Tagesordnung. Sowohl der Jugg als auch die Pompfen sind gut mit Schaumstoff gepolstert und die Spieler so weitestgehend vor Verletzungen geschützt. Sicherheit spielt nämlich eine große Rolle. Genau wie Teamgeist und Fairness.

Mit Pompfe und Schild zur Völkerverständigung

Dieses Gemeinschaftsgefühl wird vor allem auf Turnieren gelebt. Die „Nordischen Sport-Amateure“ sind dieses Jahr auf einigen unterwegs. Jugger ist so populär geworden, dass es mittlerweile in allen Ecken Deutschlands und vor allem in Studentenstädten Mannschaften gibt. Neben Kiel und Hannover wollen die Flensburger aber auch zu Turnieren nach Schweden und vielleicht Irland. Die Länder juggern übrigens nicht alle gleich. Neben verschiedenen Regelwerken gibt es auch Unterschiede in der Spielweise. „Die Spanier spielen sehr sehr schnell. Die Iren spielen wie die meisten norddeutschen Teams ein ganzes Stück robuster als der Durchschnitt in Deutschland und die Schweden spielen sehr chaotisch“, klärt mich Marc auf. Am Ende des Trainings zeigt mir Sören noch ein paar Grundtechniken mit der Pompfe. Danach werden Q-Tip, Kette und Co. wieder eingepackt und mein Probetraining bei den Nordischen Sport-Amateuren ist zu Ende.

Über Facebook oder die Website des PSV kann man die „Nordischen Sport-Amateure“ kontaktieren. Die Mannschaft freut sich über Zuwachs und Leute, die Lust auf Jugger haben.

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mm
Autor

gießt beim Telefonieren ihre Pflanzen, kann nur mit Nasezuhalten tauchen und kniffelt leidenschaftlich gern.

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