Vier Jahre. So lange hat das Verhandlungsteam diskutiert, ob, wann und unter welchen Bedingungen das landesweite Semesterticket für Studierende in Schleswig-Holstein eingeführt wird. Das Ergebnis: Die Bahn kommt. Zumindest an der EUF. Für die Hochschulpolitik ist dies ein großer Erfolg, ein kleiner Beigeschmack jedoch bleibt.

Fast 1.000 Studierende der Uni stapften im Dezember letzten Jahres die Stufen zur Flens-Arena hoch. So viele wie nie zuvor wollten bei der Vollversammlung dabei sein. Auf der Agenda stand ein Thema, das alle interessierte: die mögliche Einführung eines landesweiten Semestertickets. Fünf studentische Vertreter hatten gemeinsam mit den 33 Bus- und Bahnbetrieben des NSH (Nahverkehr Schleswig-Holstein) ein Konzept erarbeitet, das nun bewertet werden sollte – und zwar von den potenziellen Käufern selbst: den Studierenden.

Der AStA rief zur Abstimmung per Handzeichen aus, um ein repräsentatives Meinungsbild zu erlangen, so regelt es die Satzung. Doch was war mit denen, die auch abstimmen wollten, aber ausgerechnet am 14. Dezember 2018 um 9 Uhr keine Zeit hatte? Immerhin zählt die EUF mehr als 5.800 eingeschriebene Studierende. Die Antwort ist simpel: Pech gehabt.

In der Flens-Arena hoben zwei Drittel der Anwesenden die grüne Karte in die Höhe, um für die Einführung des Tickets zu stimmen. Das Verhandlungsteam ahnte, dass sich seine politische Arbeit der letzten Jahre gelohnt hatte. Durchatmen. Es wäre ein kaum herunterschluckbarer Brocken Frust gewesen, den man hätte verdauen müssen, wäre der Vertragsentwurf bei Schleswig-Holsteins Studierenden durchgefallen.

Auch die Mehrheit der Studierenden an der Flensburger Hochschule sprach sich für das landesweite Semesterticket aus. Dazu hatten diese wesentlich mehr Gelegenheit als bei den Uni-Kommilitonen, denn an der Hochschule stellte der AStA Wahlurnen auf: Wer seine Meinung kundtun wollte, hatte eine Woche lang Zeit dafür. Ob das Ticket dann auch kommt oder nicht, darüber entscheiden am Ende jedoch die Studierendenparlamente (StuPas). Sie orientieren sich in der Regel am Votum der Studierenden, müssen es aber nicht.

Die Verantwortung war enorm. Man muss es sich einmal vor Augen führen. Option A: Stimmt man für den Vertrag, ist man mitverantwortlich, dass jeder das Ticket zahlt, egal ob man es nutzt oder nicht. Option B: Lehnt auch nur ein einziges Studierendenparlament in Schleswig-Holstein den Vertrag ab, bekommt niemand der knapp 64.000 Studierenden im Land das gemeinsame Semesterticket. So lauteten die strikten Bedingungen der Landesregierung, die das Konzept mit 9 Millionen Euro unterstützen wollte. Alles oder nichts. Klare Ansage.

Als erstes war der StuPa der FH Kiel gefragt. Sein Votum: „Ja.“

Das StuPa der EUF: „Ja.“

Das StuPa der Hochschule Flensburg: „Nein.“

Nein???

Genau. Erst einmal nein. Man hätte den Vertrag rechtlich prüfen lassen und habe Bedenken wegen Regelungslücken und –risiken.

War es das jetzt?

Noch nicht.

Denn kurze Zeit später gab es plötzlich neue Regeln: Wir haben nochmal drüber nachgedacht. Alles oder nichts gilt doch nicht, die Mehrheit genügt uns völlig. Dann geht das auch mit der Förderung klar. Die Hochschulen, die jetzt „Nein“ sagen, können auch ein Semester später einsteigen. Möchte noch jemand einen Kaffee?

Zugegeben, ganz so umgangssprachlich lief der Meinungsumschwung bei der Landesregierung sicher nicht ab, aber dennoch kam ihr Wendemanöver überraschend. Auch StuPa und AStA der FH Kiel fühlten sich wegen der spontanen Regel-Aufweichung betrogen – und beklagten sich in einer gemeinsamen Stellungnahme über den Druck, unter dem man selbst bei der Abstimmung stand:

[…] „Als erste Studierendenvertretung überhaupt haben wir am 3. Dezember 2018 positiv über ein landesweites Semesterticket abgestimmt. Im Prinzip stehen wir zu diesem Abstimmungsergebnis. Doch dies mussten wir unter unverhältnismäßig großem Druck tun und der sich nun als falsch erwiesenen Vorwarnung, dass bei einem Nein unsererseits der Vertragsbeitrittsprozess für alle anderen Hochschulen beendet sei.“ […]

Alles Schmu also? Zumindest stinkt es ein bisschen. Wer genauer hinsieht, könnte interpretieren, dass das Verhandlungsteam und die Landesregierung wollten, dass die Studierenden dem Ticket zustimmen. Natürlich. Wer will schon vier Jahre für die Tonne arbeiten. Viel schöner ist es doch, die Einführung des Semestertickets als politischen Erfolg zu verbuchen. So hat die Landesastenkonferenz beispielsweise schon am 2. November, also noch bevor der Vertragsentwurf fertig war und den Studierendenvertretungen vorgelegt wurde, angefangen bei Facebook und Instagram mit Social Cards positive Stimmung für das Ticket zu machen. Alle Lampen auf grün standen für das landesweite Semesterticket dann, als das StuPa der CAU Kiel als größte Uni im Land mit ihren 27.000 Studierenden Ende Februar der Einführung zustimmte.

Ab dem kommenden Herbst kommt es als Handy-Ticket. Für die, die sich regelmäßig in die Züge und Busse in Richtung Kiel, Hamburg, Lübeck und Co. setzen, sind 124 für sechs Monate ÖPNV ein super Deal. Und auch für die Attraktivität von Schleswig-Holstein als Hochschulstandort dürfte die Entscheidung für das landesweite Semesterticket ein positiver Faktor sein. Gerade Flensburg mit seiner Am-Ende-der-Welt-Lage wird jetzt leichter zu erreichen – zum Beispiel für die, die gerne hier studieren, aber in Hamburg oder Kiel wohnen bleiben möchten.

Die Entscheidung für das landesweite Semesterticket ist darum keine, die nur die aktuell Eingeschriebenen betrifft, sondern auch die zukünftigen Studierenden, für die die Wahl des Standorts eng mit ihrer Mobilität zusammenhängt. Man kann insgesamt also von einem guten Ergebnissprechen. Der Beigeschmack jedoch, dass es beim landesweiten Semesterticket auch um politischen Ehrgeiz ging, bleibt.

Preis, Gültigkeit und Härtefälle: Fakten zum Ticket

Zum Herbst- bzw. Wintersemester 2019/20 wird an allen Hochschulen in Schleswig-Holstein das landesweite Semesterticket eingeführt, außer an der FH Westküste in Heide und der Hochschule Flensburg. Die Studierendenparlamente (StuPas) der Hochschulen können sich jedoch noch zu einem späteren Zeitpunkt dafür entscheiden.

Das Ticket ist ein Solidarticket. Das bedeutet, dass selbst wenn man kein Interesse an diesem Ticket hat, weil man es z.B. nicht nutzt, trotzdem dafür bezahlt. Anders wäre der vergleichsweise günstige Preis von zunächst 124 Euro nicht realisierbar gewesen. Außerdem fördert das Land Schleswig-Holstein das Semesterticket mit 9 Millionen Euro.

Ab dem Sommer 2020 werden pro folgendem Semester jeweils gut 6 Euro draufgeschlagen, wodurch der Preis für das landesweite Semesterticket bis zum Wintersemester 2021/2022 auf 148,40 Euro ansteigen wird. Wer als schwerbehindert gilt, ein Auslandssemester oder ein längeres Praktikum außerhalb von Schleswig-Holstein oder Hamburg macht, kann einen Härtefallantrag stellen und sich die Kosten für das Ticket rückerstatten lassen. Es gelten die individuellen Härtefall-Regeln der jeweiligen Hochschulen, über die die zuständigen ASten informieren.

Das Ticket gilt für alle Bus- und Bahnverbindungen in Schleswig-Holstein sowie bis nach Hamburg (HVV-Ringe A und B). Außerdem ist es möglich drei Kinder im Alter von bis zu sechs Jahren mitzunehmen. Vom Ticket ausgeschlossen sind der Sylt-Bus, die Fähren zu den Inseln und Halligen sowie die SFK-Fähre in Kiel, die für Kieler Studenten aber im lokalen Semesterticket inbegriffen ist.

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mm
Autor

sortiert ihren Kleiderschrank nach Farben, ekelt sich vor Federn, hat eine „Emu-Gnu-Schwäche" und immer ein Paar Gummistiefel im Kofferraum.

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