Genau 305 Kilometer liegen zwischen unseren Haustüren. Das sind 3,5 Stunden Autofahrt, fast fünf Stunden im Zug oder 56 Stunden zu Fuß. Damit gehören auch wir zu den rund 1,7 Millionen Paaren in Deutschland, die eine Fernbeziehung führen. Und das mittlerweile seit über vier Jahren. Genauso lange können wir uns schon Floskeln anhören wie: „Das schafft ihr schon!“, „So weit ist es ja gar nicht entfernt.“ Leute, die mit diesen Worthülsen um sich schmeißen denken doch eigentlich bloß: „Ich geb‘ denen maximal drei Monate.“

Angefangen hatte bei uns alles während der Schulzeit, als noch gar nicht daran zu denken war, dass wir irgendwann mal nicht die gleiche Postleitzahl teilen würden. Aber das Abitur kam schneller als gedacht und so verschlug es uns nach gerade mal einem Jahr Beziehung in unterschiedliche Himmelsrichtungen. Anfangs natürlich eine große Herausforderung und ständig die Frage im Hinterkopf, ob das denn gut gehen würde. Aber das ging es. Und so schlimm ist das doch auch eigentlich gar nicht. Denn schlimmer geht immer. Zum Beispiel, wenn mal wieder ein Semester oder ein Praktikum im Ausland auf dem Plan stehen, das erste Studium geschafft ist und sich der nächste Studienort auf einmal im hohen Norden an der dänischen Grenze befindet oder doch nochmal ein neuer Arbeitgeber gewählt wird.

Wenn das Bauchkribbeln zurückkommt

Schaut man sich die Vorzüge einer Fernbeziehung so an, dann ist doch verwunderlich, dass nicht mehr Leute auf dieses Modell zurückgreifen. Die Gefahr, in einen gemeinsamen Alltagstrott – der Beziehungskiller schlechthin – zu verfallen, ist durch die Liebe auf Distanz quasi gar nicht gegeben. Wir verlieren uns nicht in Selbstverständlichkeiten, wissen die Zeit zu zweit deutlich mehr zu schätzen, da diese doch ziemlich selten geworden ist. Das Highlight ist natürlich immer das Wiedersehen am Wochenende. Auch, wenn es mittlerweile leider nicht mehr jedes Wochenende klappt, sehen wir uns doch so häufig wie möglich. Schon Tage vorher steigt die Vorfreude und damit auch die Aufregung. Es fühlt sich schon fast an wie vor dem ersten Date. Aber gemeinsam werden die alltäglichen Dinge dann zu etwas Besonderem – sei es das gemeinsame Einkaufen, oder dass man für zwei Tage mal nicht allein mit dem eigenen Spiegelbild Zähne putzen muss. Wir haben alle Freiheiten, die es uns ermöglichen, unser eigenes Ding durchzuziehen. Und trotzdem habe ich immer jemanden an meiner Seite, auf den ich mich verlassen kann. Der mir Mut macht und andere Perspektiven aufzeigt, bei dem ich mich ausheulen und von Höhenflügen berichten kann. So wird jeder Besuch zu einem Kurzurlaub. Ich habe meine eigenen Wohnorte durch diese Beziehung schon viel besser kennen gelernt, denn gemeinsam unternimmt man auch mal die typischen Touristensachen, wie eine Brauereiführung oder eine Bootsfahrt auf der Förde.

Kommunikation als Geheimwaffe

Natürlich ist es deutlich einfacher, weniger Verantwortung zu übernehmen, Streits zu vermeiden, um die gemeinsame Zeit nicht zu verschwenden. Aber nichtsdestotrotz ist nicht alles so rosarot und wir machen in unserer Beziehung auf Distanz viele Abstriche und müssen vor allem kompromissbereit sein. Das bedeutet natürlich auch, dass auf jegliche Art von kontaktreicher Intimität in der Woche verzichtet werden muss. Also gibt’s für uns keinen Sex an Werktagen. Denn da sehen wir uns bei den allabendlichen Facetime-Gesprächen lediglich auf dem Bildschirm. Genau diese Gespräche sind wohl Teil von unserem Geheimrezept: Wir sprechen über die täglichen Erlebnisse, erzählen uns von banalen Sachen wie Stromrechnungen oder dem Wohnungsputz, philosophieren über tiefgründige Themen, essen gemeinsam – kurz gesagt: Wir nehmen am Alltag des anderen teil. Ohne das wäre unsere Beziehung wahrscheinlich schon nach kurzer Zeit in die Brüche gegangen.

Ich glaub‘ an uns

Es ist wichtig, die Kleinigkeiten im Leben des anderen mitzubekommen, auch wenn diese für Außenstehende vielleicht oberflächlich und uninteressant wirken. Der Einzelne geht in unserer Beziehung nicht verloren, wir funktionieren nicht bloß als Paar, sondern haben unsere eigenen Freundeskreise und Berufe. Klar, ist es oft hart, wenn alle ständig ihre Partner mitbringen und ich selbst häufig alleine zwischen den Paaren sitze – sei es beim Spieleabend oder einem gemeinsamen Essen mit Freunden. Denn auch wenn das „klassische“ Modell einer Nahbeziehung längst nicht mehr die Norm ist, bin ich trotzdem oft die Einzige mit dem Partner in der Ferne.

Wir haben zwar mit der Distanz zu kämpfen, aber ich glaube an uns, denn zeitgleich scheitern andere an der Nähe. Also nehmen wir geduldig die Wartezeiten am Bahnhof in Kauf oder hören noch die ein oder andere Podcastfolge, wenn es mal wieder heißt, auf das Stauende auf der Autobahn zu warten, bis wir uns dann auch endlich einmal darüber streiten können, wer den Müll herunter bringt oder das Badezimmer putzt. Und bis es soweit ist, nimmt jeder von uns beiden mal etwas auf sich und setzt sich für die Beziehung ein. Denn es ist zwar schwierig in einer Fernbeziehung, aber mit der richtigen Person an der Seite ist es nur noch halb so schlimm.

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mm
Autor

hat nur knallbunte Socken in ihrer Schublade, könnte eine Einladung zum Pommes essen niemals ablehnen und lässt ihren Tee immer exakt die angegebenen Minuten ziehen.

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