Jedes Mal, wenn ich eine Weile an einem Ort gewohnt und mich in einen Alltag eingefunden habe, holt sie mich wieder ein. Zunächst unmerklich, dann immer mehr: diese Sehnsucht. Sehnsucht nach Neuanfängen, das Fernweh nach der Welt. Ich will mich noch nicht für einen Ort entscheiden, sondern immer wieder aufbrechen und abwarten, wohin es mich verschlägt.
Vom Fernweh und Neuanfängen
In den letzten Jahren habe ich in drei verschiedenen Ländern und in fünf verschiedenen Städten gewohnt. Kaum hatte ich die Umzugskisten ausgeräumt, lief die Zeit, die ich an diesen Orten verbrachte habe, immer nach einem ähnlichen Muster ab. Ich lebte mich ein, fand mich in meiner neuen Umgebung und dem neuen Alltag zurecht, baute ein soziales Netzwerk auf. Doch je vertrauter alles wurde, umso unruhiger wurde ich. Bis ich schließlich zu überlegen begann, wohin ich gerne weiterziehen würde. Das Fernweh hatte mich gepackt. Ich vermisste den Neuanfang, die Phase, in der alles noch neu ist und man all die Plätze, Parks, Cafés erst noch mit Erinnerungen befüllen muss. Rastlos räumte ich die Umzugskisten wieder ein, meine Wanderung ging weiter.
Die Gesichter der Stadt
Besonders in Städten, die man noch nicht kennt, kann man sich anfangs so wunderbar verlieren. In Großstädten kann man sich treiben lassen und Kleinstädte kommen einem so weitläufig vor, bis man den Stadtkern ein paar Mal umrundet hat und Häuserfassaden nicht mehr fremd wirken. Mir gefällt dieses Vertrautwerden mit der Umgebung, wenn man spürt, welches Tempo und Farben die Stadt hat, wenn man ihre Gebäude und Straßen kennt, so dass man auch in Gedanken spazieren gehen kann und dabei die Wege, die man normalerweise geht, vor dem inneren Auge sieht. Es ist spannend und inspirierend, neue Leute kennenzulernen, Freundschaften zu knüpfen, gemeinsame Erinnerungen zu schaffen. Man kann so viel von anderen lernen, zum Beispiel über charakterliche und mentale Stärken oder anhand ihrer Erzählungen. Einige Freundschaften fühlen sich so vertraut an, als würde man sich schon seit Ewigkeiten kennen, dabei ist die Freundschaft im Vergleich zu anderen verhältnismäßig neu.
Weiterzuwandern bedeutet auch zu vermissen
Der einzige Nachteil daran, wenn man dem Ruf des Fernwehs folgt und weiterwandert, ist, dass man auch immer mehr Leute vermisst. Familie, neue Freunde, alte Freunde. Oft vermisst man auch Orte, an denen man war und die einem so gut gefallen haben. Oder man vermisst die Freiheit, die man an einem Ort hatte oder das Gefühl, dass man an jedem dieser Orte immer wieder neu entscheiden kann, wie man sein möchte. Auch an neuen Orten gibt es keine zweiten Chancen für erste Eindrücke. Ich glaube, was mir gefällt, ist festzustellen, wie ich mich an jedem Ort verändert habe und was ich dort gelernt habe. Deswegen ist es auch umso schöner, an bestimmte Orte zurückzukommen, vertraute Gebäude zu sehen und diejenigen Menschen zu besuchen, die einem am Herzen liegen und die die Zeit so besonders gemacht haben.
„Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich.“
Ödön von Horváth
Vom Fernweh nach der Welt
Zurzeit wohne ich in Dänemark, hier bin ich länger geblieben, als ich es eigentlich vorhatte, weil ich zwischendurch vergessen habe, wieder loszuwollen und so viele neue Seiten des Lebens auf Fünen kennenlernen durfte. Ich dachte schon fast, ich hätte einen Ort gefunden, an dem die Umzugskisten nicht wieder eingeräumt werden, aber seit ein paar Tagen ist es wieder da: das Fernweh. Ich habe Fernweh nach überall und es zieht mich in die Welt hinaus. Oft frage ich mich, ob der Ort, an dem ich mir vorstellen könnte länger zu bleiben und der auch mein fester Wohnsitz für den Berufseinstieg sein könnte, ein Ort ist, an den ich zurückkehre, oder, zu dem ich aufbreche. Auch wenn ich diesen Ort momentan noch nicht gefunden habe und zudem nicht sicher bin, ob und wann ich ihn finden werde, weiß ich doch schon jetzt, dass das Fernweh nach der Welt immer ein Teil von mir sein wird.
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