Vorab: Ich bin für die Gleichberechtigung, für die Gleichberechtigung von Mann und Frau in allen Bereichen des Lebens. Ich bin froh und dankbar um jeden Kampf, den Frauen seit Generationen für uns gekämpft haben und noch heute kämpfen. Ich bin auch froh über den Feminismus und das daraus entstandene und heute stärkere Selbstbewusstsein der Frau im Allgemeinen.
Ich bin in einer ‚Generation Frau‘ aufgewachsen, in der wir alles tun können, was wir wollen. Ich lebe aber auch in einem Land, in dem das möglich ist, sei ergänzt. Allerdings hat die Gleichberechtigungs- und Feminismusdiskussion für mich einen Beigeschmack, für Frauen und Männer.
Zum Beispiel: Wir Frauen müssen auch alles erreichen wollen! Wir müssen alles, was wir machen, gut machen und da schauen uns häufig nicht die Männer auf die Finger, sondern die anderen Frauen bzw. auch die Populärmedien mit ihrer ‚Sichtweise‘. Die Arbeit, die wir ausüben, müssen wir gut bis sehr gut machen, die Beziehungen, die wir führen, müssen durch uns gepflegt werden und gut sein, die Kinder, die wir bekommen (müssen?) und erziehen, müssen frei und gleichzeitig höflich und reflektiert sein. Wir müssen gut aussehen und uns muss alles leicht und am besten gleichzeitig von der Hand gehen.[1]
An Männer werden ähnliche Ansprüche gestellt. Sie müssen einen guten Job haben, eine prima Work-Life-Balance, damit sie auch Zeit für die Familie haben und auch Home-Office machen können, denn das müssen sie auch wollen. Sie müssen Elternzeit wollen und auch mit dem Baby gerne zu Hause bleiben. Sie müssen großartige, gedankenlesende, männliche, sanfte Männer sein, die aber zur rechten Zeit auch anzupacken wissen. Sie müssen an den Müll denken und daran, was noch einzukaufen ist für den Tag. Sie sehen alle Staubflusen und staubsaugen auch gerne nochmal kurz durch die Bude, bevor Frau nach Hause kommt.[2]
NICHT!
Ja und warum nicht?
Weil es einfach Grenzen gibt.
Wir Frauen können all die Ansprüche, die an uns gestellt werden, schließlich auch nicht mit einem Lächeln auf den Lippen leisten, höchstens innerhalb der ersten sechs Monate einer neuen Beziehung. Und wenn wir keinen Bock darauf haben, warum sollte es dann einem Mann anders gehen?
Es ist biologisch bekannt: Männer und Frauen sind verschieden und das finden wir ja auch gut. Es bedeutet aber auch, dass Männer und Frauen eine unterschiedliche Wahrnehmung haben, besonders in Bezug auf den Haushalt. Und ja, einige Männer sind auch einfach verhätschelte Muttersöhnchen, die es nie lernen werden, dass Zusammenleben nicht ohne Zusammenarbeit funktioniert. Ob das im Haushalt oder in der Beziehung ist. Und es gibt bei uns Frauen auch verwöhnte Prinzessinninniniimimimi, die sich den ganzen Tag den Arsch von ‚unseren geduldigen‘ Traumprinzen nachtragen lassen.[3]
Worauf ich nun hinaus will, ist, dass Frauen inzwischen so weit sind, zu sagen:
So Stopp, diesen ganzen Stress mache ich nicht mehr mit. Ich gehe meinen Weg und zwar, ob in der Größe 36 oder 48, in meiner Geschwindigkeit. Dieses Entschleunigen bei der Frau wird inzwischen auch durch Populärmedien unterstützt.
Aber können wir bitte die Männer auch in dieser Einstellung bestärken und nicht mehr und mehr absurde Forderungen stellen? Jetzt lasst sie halt den Müll vergessen oder die Blumen am Valentinstag. Lass Männer auch erschöpft von der Arbeit kommen und herumsitzen. Dass heißt ja nicht, dass sie betüddelt werden wollen.
Lasst zu, dass Männer auch nur einen Weg beschreiten, so wie wir Frauen es auch tun und zwar egal, ob Größe 38 oder 52. Es ist nämlich für uns alle anstrengend in dieser Gesellschaft (s)einen Platz zu finden, immer wieder aufs Neue, ob an der Universität, in der Arbeitswelt oder als Familie. Die Welt ist in Aufruhr, nichts ist mehr an seinem Platz.
Wir Frauen haben glücklicherweise gerade viele, viele wunderbare und starke Frauen als Vorbilder, doch an welchen Vorbildern kann Mann sich denn heute orientieren?
Die meisten der heutigen 25 bis 30-jährigen Herren sind in einer Generation ohne Vater aufgewachsen. Entweder hat ebenjener gearbeitet oder die Mütter waren alleinerziehend oder es gab sonstige neue Familienstrukturen. Auch im Kindergarten und in der Schule werden die männlichen Wertmaßstäbe weiblich geprägt vermittelt, weil in den meisten Bildungsberufen hauptsächlich Frauen arbeiten. Wo gibt es denn da noch die Möglichkeit als Heranwachsender ein alltägliches männliches Vorbild zu haben? Klar gibt es die anderen Peers in der Schule oder Freizeit, aber sind die nicht ähnlich haltlos und somit als Orientierung unzureichend?
Ich persönlich glaube, dass es heutzutage schwieriger ist als Mann heranzuwachsen als als Frau. Wie muss Mann heute sein, um ein Mann zu sein?
Aus Frauensicht kann ich nur sagen, dass wir uns vielleicht darauf einigen sollten, dass wir die Unterschiede zwischen Männern und Frauen nicht nur gut finden, sondern auch brauchen. Männer wollen gebraucht werden, sie wollen nicht nutzlos sein, weil wir Frauen eigentlich alles allein können bis auf die Fortpflanzung. Wir Frauen wollen ebenfalls gebraucht werden, und zwar nicht nur als Statusobjekt, weil wir gut aussehen oder als Mutter. Erkennen wir die Stärken und Schwächen des anderen an und vereinen wir uns! Nicht umsonst heißt es doch ‚Gegensätze ziehen sich an‘ und was ist schon gegensätzlicher als Mann und Frau?
[1] Die weiblichen Bezüge sind bei Bedarf und als Identifizierunghilfe durch männliche ersetzbar. Es gibt Ausnahmen.
[2] Die männlichen Bezüge sind bei Bedarf und als Identifizierungshilfe durch weibliche ersetzbar. Es gibt Ausnahmen.
[3] Gleichberechtigung auch bei der Diffamierung.