Er gehört zu Flensburg wie die Schuhe über der Norderstraße und die Remoulade auf Bens Fischbrötchen: DJ Bert. Ich hatte für eine Nacht die Ehre, mich in die hohe Kunst des Auflegens entführen zu lassen.

Leicht abgehetzt springe ich die Stufen hoch und stemme die Schallschutztür auf. Ein Mix aus Rauch und Ska strömt mir entgegen. Ein guter Anfang: zu spät am ersten (und letzten) Praktikumstag. Bert empfängt Bert mich freundlich. Ob er wohl weiß, worauf er sich da eingelassen hat? Ich gehöre zu diesen Musik-Experten, die sich immer dieselben Lieder wünschen und Songtitel nur nennen können, wenn sich genau der gleiche Wortlaut im Refrain wiederfindet. Das bedeutet, spätestens nach dem dritten Bier laufe ich regelmäßig zu Berts Mischpult und wünsche mir ABBAs The Winner Takes It All. Es folgen theatralische, ausladende Bewegungen und laute Gesänge. So sieht eigentlich ein typischer Mittwoch im Peppermint aus, doch heute wechsle ich die Perspektive und stehe gemeinsam mit Bert hinterm DJ-Pult.

CDs statt Computer, Spontaneität statt Playlists

Bert zeigt mir sein Equipment: ein Mischpult, eingekesselt zwischen zwei CD-Anlagen, und jede Menge CDs, die sich rundherum in seiner DJ-Ecke türmen. Kein Computer? Keine Kopfhörer, die man – den Kopf David Guetta-like leicht zur Seite geneigt – nur halb über ein Ohr stülpt, während man mit den Händen lässig an diversen Knöpfen dreht? „Das ist nur Humbug und Herumspielerei, das braucht man alles nicht“, lautet Berts Kommentar. Er zeigt mir, wie‘s läuft: Auf dem ersten CD-Spieler ‚Eject‘ drücken, Platte rein, warten bis der Song auf dem zweiten CD-Player endet, dann ‚Play‘ wählen, die Lautstärke für CD-Player 1 langsam hochdrehen, das Volume für CD-Player 2 langsam senken. Nun beim zweiten Player ‚Eject‘ drücken, CD tauschen und auf das Song-Finale im Player 1 warten. Anschließend geht das Ganze wieder von vorne los.

Das Genie beherrscht das Chaos

Wie macht Bert das nur, bei seinen zwei- bis dreitausend CDs den Überblick zu behalten?  Alles ist in seinem Kopf. „Bei dem Album funktioniert die erste CD nicht, nimm mal von der zweiten CD das zweite Lied, das ist gut“, rät mir Bert, als ich wahllos nach einem Album greife. Alles klar. Nach welchen Kriterien er entscheidet, welches Lied als nächstes an der Reihe ist, frage ich ihn. „Ich lege meistens das auf, was ich gerne hören würde, wenn ich betrunken wäre“. Eine wirkungsvolle Strategie. Viele Leute kommen und gehen, nicht ohne DJ Bert per Handschlag begrüßt und gelobt zu haben. Doch nicht allein in Flensburg hat er Fans, mehr und mehr streckt er seine Turntables nach ferneren Zielen wie Kiel oder Hamburg aus.

Offline und doch up to date

Während Bert mir seine Insider-Infos verrät und mit seinem gewohnten Grinsen auf den Lippen mit dem Kopf zum Takt nickt, klingelt sein Handy. Aus seiner Hosentasche zieht er ein altes Klapphandy. Ich wundere mich über die Rarität aus scheinbar längst vergessenen Zeiten. Ein Leben ohne mobiles Internet scheint noch möglich zu sein. „Wir sind in einer Zeit groß geworden, in der es kein Internet gab – und wir wussten trotzdem, wo die Konzerte stattfanden“, erklärt er mir und klappt sein Telefon wieder zu. Anschließend legt er ABBAs Money Money Money in einer Metal-Version auf. Ich lerne französische Ska-Bands, Bob Marleys erste Single und mir fremde Musikrichtungen wie Oi kenne, während ich diverse Male verdränge, dass man regelmäßig die CDs wechseln sollte.

Time to Say Goodbye oder wie man seine Gäste los wird

Ob er denn einen bestimmten Rausschmeiß-Song habe, frage ich hoffnungsvoll. In der Tat: Pixies‘ Where Is My Mind. Klingt eigentlich gar nicht so nach typischer Rausschmeiß-Mucke. Und das ist auch seine Absicht: Bert will seinen Zuhörern ein gutes Gefühl mit auf den Weg geben. Mir gibt er auch eines mit. Zwar nicht mit dem Song von Pixies, aber mit einem anderen Lied, das ziemlich ABBA-ähnlich klingt. Den Titel habe ich natürlich vergessen.

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