„Wherever we are, what we hear is mostly noise. When we ignore it, it disturbs us. When we listen to it, we find it fascinating.“ Dies sind John Cages einleitende Worte in seinem Buch „Silence: Lectures and Writings“. Er betrachtete den Zufall als eine Möglichkeit zu komponieren. Der Zufall war für ihn ein ebenso zentrales Element in der Musik wie die Stille. Im Jahr 2010 war die Stille sogar in den Charts.

Was hörst du, wenn du nichts hörst?

John Cage zufolge gibt es keine absolute Stille, da wir bei dem Versuch diese zu erzeugen scheitern. Zu dieser Schlussfolgerung kam er unter anderem nach seinem Besuch des reflexionsarmen Raumes der Universität Harvard. Dort stellte er fest, dass er in diesem Laborraum, dem Raum der Geräuschlosigkeit, trotzdem noch zwei Geräusche wahrnehmen konnte: ein hohes und ein tiefes. Auf seine Nachfrage hin erfuhr er, dass das hohe Geräusch von seinem Nervensystem produziert wurde und das tiefe von dem Blut, das durch seine Adern rauschte. Man wende sich, so John Cage, den Geräuschen zu, die man nicht absichtlich verursache. Das Absichtslose, das die Stille und den Lärm auszeichnet, ist das, was er erkunden wollte.

4’33 – Stille ist nicht nichts

Auf diesen Gedanken Gedanken aufbauend komponierte John Cage 4’33, ein Stück, in dem er die Elemente des Zufalls und der Stille zusammenführte. Der Pianist David Tudor saß also bei der Uraufführung des Stückes 1952 in Woodstock, New York für vier Minuten und 33 Sekunden, die Dauer, die er erwürfelt hatte, still am Klavier. Seine einzigen Bewegungen waren jeweils das Öffnen und Schließen des Klavierdeckels, um die drei Sätze anzuzeigen. 33 Sekunden, dann zwei Minuten 40 Sekunden und dann eine Minute 20 Sekunden, also insgesamt 4’33 ohne einen einzigen Ton zu spielen. Doch auch, wenn da vermeintlich nichts zu hören war, war da doch nicht nichts. Cage erinnerte die Reaktion des Publikums bei der Uraufführung folgendermaßen:

„You could hear the wind stirring outside during the first movement. During the second, raindrops began pattering the roof, and during the third people themselves made all kinds of interesting sounds as they talked or walked out.“

John Cage

Als das Stück des Avantgarde – Komponisten bekannter wurde, hörte man in der Stille der Sätze vereinzelt Applaus. Stille stelle für ihn eine Möglichkeit dar, alle Geräusche als Musik wahrzunehmen und die Vorstellung davon zu überdenken, was Musik eigentlich sei.

Foto: pixabay

Hört mal: die Stille ist in den Charts

Jeder kann John Cages Stück spielen. Die Gesamtdauer wird durch dreimaliges Würfeln für die drei Sätze festlegt und ist der Titel des Stücks. Nur Spielanweisung „tacet“, stumm oder schweigend, ist vorgegeben. Wie lange das Stück dauert und wie die Stille klingt ist beides ist dem Zufall überlassen. Weihnachten 2010 war es dann soweit, namhafte Musiker hatten das Stück im Studio eingespielt. Das Ziel des Projekts „Cage Against The Machine“ war, dass 4’33 statt der üblichen Weihnachtslieder oder Songs aus Castings-Shows an der Spitze der Charts stehen sollten. Der Spitzenplatz wurde es nicht, aber auf Platz 21 der britischen Charts hat sich 2010 Stille ausgebreitet.

Tacet.

Kann man etwas daraus lernen und wenn ja, was kann man lernen, frage ich mich. Vielleicht, dass Stille genug Aufruhr produzieren kann, um in die Charts zu kommen. Oder, dass man sich auf Stille einlassen muss und sie immer anders klingt. Ob ein Krachen oder Topfschlagen auch Musik ist, darüber kann man streiten. Das Thema „Stille“ ist allerdings kein neues Phänomen, es beschäftigt mich aber auch. Letztens saß ich auf der Dachterrasse, um mir den Sonnenaufgang anzusehen. Ich bin nicht sicher, ob ich die Stille gesucht habe und denke eigentlich nicht, dass ich sie wirklich gefunden habe; ich weiß aber, dass sie für einen kurzen Moment – um 6.05 Uhr – auch da war. Da ging nämlich still, fast beiläufig, die Sonne auf, mitten im Satz. Zwar habe ich Vogelgezwitscher gehört, aber hauptsächlich diesen orangen Ball gesehen, der am Horizont aufstieg und schwieg.

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mm
Autor

mag Zimt, Zitate und Kurzgeschichten, würde gerne mal in ein Taxi steigen und sagen: "Bitte folgen Sie dem Wagen da vorne!"