Neulich morgens auf dem Weg ins Bad: Es ist noch dunkel, als ich plötzlich in etwas trete. Fuck! Was war das? Bitte lass es nur einen Krümel oder etwas Dreck gewesen sein. Bei Licht dann Ernüchterung und Ekel. Da liegt es auf dem Rücken und zappelt mit den Beinchen, ganz unschuldig, sodass man fast ein wenig Mitleid bekommen könnte. Ich stülpe schnell ein Glas drüber. Erstmal duschen auf den Schreck.

Vor einigen Wochen tauchte in unserer WG das wohl schlimmste und abscheulichste Ungeziefer auf, die Gemeine Küchenschabe, Blattella germanica, die ganz zu Recht den hässlichen Namen Kakerlake verdient. Zunächst bekamen wir sie gar nicht zu Gesicht. Kakerlaken sind nämlich schüchterne Mitbewohner und trauen sich in der Regel nur nachts raus, um sich dann an Abfällen und Lebensmitteln zu bedienen. Hin und wieder fielen uns aber doch käferartige Insekten in der Küche auf und wir wurden misstrauisch.

Das lange Leben der Gemeinen Küchenschabe

Eine investigative Google-Recherche verschaffte schnell Klarheit über die Identität der neuen Mitbewohner. Schaben durchlaufen mehrere Stadien, bevor sie vollständig entwickelt sind. Was wir da in unserer Küche gesehen hatten, waren demnach Larven gewesen. Ausgewachsen würden die sich rasant vermehren. Die Weibchen tragen im Schnitt 36 Eier mit sich herum. Wenn wir also nicht schnell tätig werden würden, hätten wir in kurzer Zeit eine Kakerlakenplage an der Backe. Tötung durch Drauftreten ist übrigens keine gute Idee, denn die Eier können so über die Schuhe auch in andere Räume gelangen. Besser sei heißes Wasser oder aber Gift.

Abgesehen davon ist die Schabe aufgrund ihrer hohen Anpassungsfähigkeit nahezu unkaputtbar. Sie ist nicht wählerisch, frisst alles und das Weibchen beweist Intelligenz, indem es ihre Eier vor Feinden versteckt und tarnt. Die Schabe existiert seit 350 Millionen Jahren, sie hat das Mammut überlebt und wer weiß, vielleicht wird sie auch uns überleben. Im Grunde ziemlich beeindruckend, säße sie nicht gerade in unserer Küche.

Wann wurde hier eigentlich das letzte Mal geputzt?

Auf die kurze Genugtuung der erfolgreichen Recherche folgten schnell Ekel und Spekulationen darüber, wie es die Schaben überhaupt in unsere Wohnung geschafft hatten. Wir kannten Kakerlaken bisher nur aus dem Urlaub in Südostasien oder Afrika und assoziierten mit ihnen Unsauberkeit und verdreckte, gammelige Wohnungen. War unsere Wohnung etwa schmuddelig genug, dass sie Schaben anlockte? Reichten ihnen ein stehengebliebener Abwasch und nicht gefeudelte Böden, um sich wohlzufühlen? Oder kamen sie doch von den Nachbarn, vor deren Tür es immer so stank?

Da Schaben Bandwürmer, Salmonellen und andere Krankheitskeime übertragen können, ist es wichtig, ihnen die Nahrungsgrundlage zu nehmen und Lebensmittel, Abfälle und Feuchtigkeit von ihnen fernzuhalten. Ein strenger Putzplan musste also her, wir wischten akribisch jeden Krümel weg, der Müll wurde täglich entsorgt. Nachts ließen wir das Licht an, aus Angst die Kakerlaken könnten übers Bett krabbeln. Freunden, denen wir von dem Schabenbefall erzählten, trauten sich nicht mehr zu uns, weshalb wir die Sache dann lieber für uns behielten.

Das Übel kommt aus der Gemüsekiste

Der Kammerjäger fand schnell die versteckten Ecken hinter Kühlschrank und Spüle, in denen sich die Schaben eingenistet hatten, verteilte überall in der Wohnung ein giftiges Gelkissen und gab Entwarnung: „Die kommen nicht, weil es hier schmutzig ist. Die habt ihr von irgendwo eingeschleppt.“ Aus Lebensmittelläden, Bäckereien, gastronomischen Betrieben oder über Gemüsekisten und Bananenkartons zum Beispiel. Alles Orte, an denen wir regelmäßig sind und die Gemüsekiste kam bis vor Kurzem auch noch wöchentlich. Gebraucht gekaufte Kühlschränke, Wasserkocher und andere Elektroartikel bieten ebenfalls gute Verstecke für Schaben und ihre Eier. Die Geräte sollten daher genau untersucht werden bevor sie in die Wohnung kommen, genau wie Pappkartons, beschädigte Verpackungen und nach dem Urlaub auch das Reisegepäck.

Bis wir sicher sein können, dass auch die nachgeschlüpften Larven vernichtet wurden, muss der Kammerjäger noch zwei weitere Male sein Gift verteilen. Man sieht aber bereits jetzt keine Kakerlaken mehr durch die Küche laufen und so findet auch der WG-Alltag zur Normalität zurück. Wir schauen uns nicht mehr ängstlich auf dem Boden um, wenn wir das Licht anmachen, schlafen wieder im Dunkeln und Freunde kommen auch zu Besuch. Von wo genau wir die Kakerlaken eingeschleppt haben, lässt sich nicht ausmachen, aber die Gewissheit zu haben, sie nicht mit ein bisschen dreckigem Geschirr anlocken zu können, ist erleichternd. So erleichternd, dass auch der Putzplan langsam wieder in Vergessenheit gerät.

 

 

 

 

 

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mm
Autor

gießt beim Telefonieren ihre Pflanzen, kann nur mit Nasezuhalten tauchen und kniffelt leidenschaftlich gern.

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