Ja, ein bisschen erinnert die Überschrift an den Roman ‚Die Liebe in Zeiten der Cholera‘ von Gabriel García Márquez aus dem Jahre 1985, aber lediglich gemein haben beide Titel einen Hang zur Romantik und weiter nichts. Allerdings verflüchtigte sich meine Romantik zu unserer aktuellen Lage heute über den Tag etwas.

Heute Morgen, also am Freitag, den 27. März, hatte ich deutlich blumigere Ideen für diesen Artikel, eher hippiemäßig angehaucht, so à la „Leute, das ist auch eine Chance zu sich und seinen Lieben zu kommen, nutzt die Zeit für Euch und schlaft mal wieder richtig aus!“, etc.  Ungefähr sowas habe ich auch in meinen WhatsApp-Status gepostet und kann mich damit auch noch wohlfühlen, aber ich begucke mir alles da draußen auch aus einer sehr privilegierten Situation heraus:

  • Ich bin Studentin – immer noch im Abschluss meines Masters,
  • bin Teilzeit an der Universität Flensburg tätig – im besten Job der Welt,
  • habe eine siebenjährige, wissbegierige Tochter und eine große Wohnung mit Garten
  • und bin nicht mehr alleinerziehend. <3

Es ist mir gestattet, die ganze vorherrschende Situation aus dem zweiten Stock meiner bezahlten und geheizten Wohnung zu betrachten und wir haben das höllische Glück gesund zu sein.

Meine Mutter schilderte mir heute am Telefon: „Ich musste heute Nacht an die Mütter denken, die alleinerziehend sind mit zwei oder drei Kindern im Kleinkindalter, die vielleicht ein oder zwei Jobs machen müssen, um über die Runden zu kommen und so eine winzige Wohnung finanzieren. Die tun mir leid.“[1] Nach dieser Aussage entwich die Luft aus meinem Romantik-nutzt-die-Zeit-Luftballon im Bauch mit einem lauten Furzgeräusch. Ja, man kann jetzt auch ganz schön in der Klemme sitzen, ob tatsächlich in Quarantäne oder rein kopfmäßig.

So eine Situation, wie wir sie gerade erleben, gab es in der jüngsten Vergangenheit nicht. Aus dem Nichts heraus wird der Alltag abgestellt und man soll bitte schön Ruhe bewahren und weiß nicht, was als Nächstes mit wem warum passiert und wie lange all das dauert.

Ja, es gibt einige wenige, die Glück haben und durch diese ganze Situation hindurch schlüpfen und vielleicht auch doppeltes Glück haben und mit ihren Familien eine gute und ruhige und vor allem gesunde Zeit verbringen. Möglicherweise verstehen Oma und Opa endlich, wie das Videotelefonieren mit dem neuen Handy funktioniert, Zeit zum Üben ist ja da.

Andere haben das Glück mit ihren Familien, sprich Kindern und PartnerInnen, eine Art Auszeit in der Apokalypse zu erleben, heimeliges Wohlfühlen, kleines Glück. Andere werden vielleicht nach der Auszeit den Weg aus der Beziehung suchen, oder sagen, das Modell mit zwei Wohnungen macht doch Sinn. Wieder andere werden krank und überleben im besten Fall, andere werden dieses Glück nicht haben.

Vielleicht werden die schriftlichen wissenschaftlichen Arbeiten für das Studium, ob EUF oder HS, ob BA oder MA, endlich mal in eine Form gebracht, mit der auch die Dozenten zufrieden sind. Es ist nun mal Zeit da, um sich in Themenfelder vertiefend einzulesen, wenn der Zugang zu entsprechender Literatur da ist. Die ZHB bietet viel online an, Datenbanken und E-Books, nur mal so. Die Stadtbibliotheken Flensburg und Kiel haben ihre Onleihe in der Corona-Zeit sogar kostenlos für alle Interessierten zugänglich gemacht. Probiert es aus!

Vielleicht werden wir uns jetzt insgesamt mal bewusster, was tatsächlich nötig ist, damit es uns gutgeht. Ganz basal, es geht nicht um Glück oder Zufriedenheit, nur um das, was wir brauchen.

Das sonst rare Gut Zeit ist momentan wieder reichlich verfügbar. Machen wir das Beste daraus.[2]


[1] Andere einsame und überlastete Menschen sind nicht weniger arm dran als die Mutter hier im Beispiel und sollen nicht weniger Aufmerksamkeit erhalten, auch sie gehören bei Wunsch unterstützt. Sie seien hier der Vollständigkeit halber erwähnt.

[2] Solche Gedankenspiele sind natürlich nur möglich, wenn man nicht von Sorgen um die Existenz bedroht wird oder vor Angst schier vergeht.

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mm
Autor

strickt in ihrer Freizeit gerne Mützen, meistens einfarbig und nach einem 'Modell', lackiert beim Schauen französischer Filme wie 'Wohne lieber ungewöhnlich' exakt ihre Fingernägel und löst heimlich Gitterkreuzworträtsel, in Schönschrift.

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