Ich mag Bücher und Zeitungen, die auf einem Stapel liegen und darauf warten gelesen zu werden. Ich hatte schon immer ein Faible für Bücher und Zitate, für Worte im Allgemeinen. Geschrieben, gesprochen, geflüstert, gedruckt. Schwarz auf weiß, kursiv oder unterstrichen. Plattitüde ist eines meiner Lieblingswörter, dicht gefolgt von Firlefanz, munkeln und Tohuwabohu.

Gedankensprünge und Platzhalter

Jedes Wort hat einen Charakter, trägt Bedeutung und kreiert Nuancen. Die meisten Worte mögen Gesellschaft, wachsen zum Satz, wachsen zum Text. Manche Wörter sind Einzelgänger, meiden andere und tragen umso mehr Bedeutung auf den Strichschultern. Wörter sind Künstler. Einzelne Buchstaben wachsen in die Höhe, signalisieren eine Funktion. Andere Wörter bestehen ausschließlich aus kleinen Buchstaben, sind schmückendes Beiwerk oder schlagen Brücken zwischen Satzteilen. Mir gefällt, wie sich manche Wörter zu Wörtern aus groß geschriebenen Buchstaben aufplustern und lauter werden. Schau zu mir, LIES mich. Andere ducken sich, um sich in den Bereich zwischen den Zeilen zurückzuziehen und man muss sie hervorlocken.

Kleine Zeichen, große Wirkung

Satzzeichen sind das Konfetti der Schriftsteller. Wirf es ein, lieber Autor, lass es Nebensätze regnen. Drei vielsagende Auslassungspunkte hier…, ein Asyndeton dort; man will es schließlich spannend halten, Buchstaben drängeln sich, überschlagen sich, man fällt sich aufgebracht ins Wort, ein Wortgefecht wie ein Ping Pong Spiel, hin und her, hin und her. Und dann? Ein Punkt plumpst irgendwann an das Ende des Abschnitts. Die Spannung löst sich, Zeit um durchzuatmen. Ein Ausrufezeichen kann grüßen oder betonen, aber auch warnen und abwehren, während ein Fragezeichen die Arme ausbreitet und um eine Reaktion bittet. Komplizierter wird es, wenn am Satzende beides eingestreut wurde. Was soll man davon halten?!

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Orte, an denen Worte wohnen

Buchhandlungen und Bibliotheken hatten schon immer eine magische Anziehungskraft auf mich. Stolz und erhaben, fast würdevoll stehen sie dort nebeneinander im Regal: Bücher voller Worte, voller Gedanken, voller Gefühl. In dieses Gefühl kann man eintauchen, wenn man das Buch aufschlägt. Ganz links im Regal steht zum Beispiel ein Buch mit trockenem Humor, bei dem man während des Lesens unwillkürlich lachen muss. Verschmitzt und zwinkernd, ein Werk wie ein leicht angedeutetes Schulterzucken. In diesen Seiten steckt das Gefühl, dass alles schon gut so ist, wie es ist. C’est la vie, c’est la vie. An diesen heiteren Seiten angelehnt kauert ein Buch, so traurig, dass einzelne Worte hinter Tränen verschwimmen, weil sie in ihrer Gesamtheit eine Traurigkeit heraufbeschwören, die zu authentisch ist, um nur fiktional zu sein. Auf der letzten Seite angekommen möchte man nicht wahrhaben, dass es das jetzt schon gewesen sein soll. Dicht an den Buchrücken dieses Dramas gedrängt steht ein Buch über das Verliebt sein, das aus rosa Wolken zu bestehen scheint, in dem Hoffnung zwischen Kommas und Fragezeichen wächst und Herzschlag oder Herzschmerz auf jeder Seite pochen. Gleich daneben thront der Kriminalroman, dunkel und düster. Polternde Sätze, Worte im Lichtkegel der Spurensuche, Seiten voller Geheimniskrämerei. Der stetige Drang weiterzulesen, obwohl eine Pause nötig wäre, aber man will ja wissen, wie das Buch endet. Also eine Seite, nur eine Seite noch. Was auch immer das heißt.

Bücher voller Erinnerungen

Ein weiterer, für mich wichtiger Ort, an dem Worte wohnen, ist mein eigenes Bücherregal. Denn es geht nicht nur um die Gefühle, die einem beim Lesen überkommen, sondern auch um die Erinnerungen, die zwischen den Seiten der Bücher stecken, die man schon einmal gelesen hat. Sie transportieren einen an den Ort zurück, an dem man sie zuletzt gelesen hat. Dann liegt man auf einmal wieder am Strand oder erinnert sich, wie man genau dieses Buch bei einer Tasse Tee auf dem Sofa gelesen hat. Manche Bücher lese ich noch einmal, weil ich mir von ihnen ein bestimmtes Gefühl erhoffe, wenn nicht sogar erwarte. Die Worte sind schließlich alte Bekannte. An den gleichen Stellen lachen, an den gleichen Stellen mitfiebern. Ich mag diese tröstende Verlässlichkeit. Wir verstehen uns, kennen uns. Also wie immer bitte.

Von Reichtum und Wörtern

Es gibt viele Wörter. So viele Wörter. So viele schillernde Wörter, die man finden, hören, überhören, interpretieren, schreiben, aussprechen und denken kann. Doch ja, wenn ich mir das gerade so überlege, würde ich wirklich sagen, dass ich Wörter mag. Plattitüden mag ich eigentlich nicht so, aber dafür das Wort selbst: Plattitüde.

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mm
Autor

mag Zimt, Zitate und Kurzgeschichten, würde gerne mal in ein Taxi steigen und sagen: "Bitte folgen Sie dem Wagen da vorne!"

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