Wenn ich über Gedanken und Gefühle schreibe, kommt es mir ab und an so vor, als würde ich in der Mitte anfangen und als würden die Worte sich dann über die Seite ausbreiten. Die Gedanken fließen in ihre Buchstabenform. Mal erfolgt das Schreiben aber nur stockend und ich drehe mich mit ein und demselben Satz im Kreis. Manche Dinge muss man einfach aufschreiben, manche sollte man eher aussprechen.

Von A bis Z

Schreiben ist ein bisschen wie das Arbeiten mit einem Setzkasten. Man kann Wörter unterschiedlich anordnen und testen, wie der Satz wirkt. Die Sätze sollen aber nicht nur richtig klingen, sondern sich auch richtig anfühlen, finde ich. Das Lesen eines Entwurfes ist wie so eine Art Probefühlen. Gibt es nicht noch ein anderes Synonym? Ein Wort, das treffender beschreibt, was man fühlt? Eines, das besser tröstet oder mehr schmerzt? Außerdem ist Schreiben irgendwie auch eine unendliche Suche nach neuen Wortkombinationen.

A oder B, A und B, A und/oder B

Zudem gibt es so viele Möglichkeiten gibt, einen Satz zu schreiben und doch darf es für den geplanten Text nur eine davon sein. Kann ich nicht einfach zwei Varianten des gleichen Satzes veröffentlichen? Version A, Version B. Beim Sprechen wäre das einfacher, wie heißt es doch so schön: „Wer A sagt, muss auch B sagen?!“ Na also, ich rede dann einfach mal für die nächste halbe Stunde. Ist das nicht die eigentliche Bedeutung dieser Redewendung?! Dachte ich zumindest. Man muss auf alle möglichen Weisen alles sagen. Oder alles auf alle möglichen Weisen sagen. Oder alles sagen – auf alle möglichen Weisen. Wie auch immer.

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Wann und wie

Man weiß,  Papier ist geduldig und gedrucktes Wort beständig. Gesprochene Wörter sind da etwas anders; sie sind ungeduldiger, unbeständiger und lauter. Man kann sie nicht auf die gleiche Weise testen oder probefühlen. Vielleicht gibt es deswegen Zeitkategorien: die zeitunabhängigen Wörter; die, die nur im Tageslicht aufrecht stehen und die unsicheren Nachtschwärmer, die sich erst heraus trauen, wenn die Dunkelheit sie schützt. Ebenso gibt es die Kategorien der Lautstärke. Wörter, die man flüstert, munkelt, sagt, singt, ruft oder schreit und natürlich auch die Wörter, die man nur denkt, aber nicht ausspricht.

Zwischen Schreiben und Sprechen

Als ich jünger war, gab es viele Gesprächssituationen, in denen ich nur stumm zuhörte, obwohl mir viele Fragen und Antworten einfielen. Im Nachhinein bedauerte ich, nicht mutiger gewesen zu sein. Als ich jünger war, gab es viele Gesprächssituationen, in denen ich mehr mit der Analyse des Gesprächs als mit dem Gespräch selbst beschäftigt war. Ich suchte fieberhaft nach etwas, das ich beitragen könnte, aber die Worte waren weg. Als ich jünger war, war ich ein totaler Schreibmensch. In den Momenten, ich denen ich hätte sprechen sollen, dachte ich. In meinem Kopf öffnete sich eine Word-Seite und ich tippte los. Wenn ich mich ärgerte, schrieb ich in Großbuchstaben. Das war besonders laut.

Was ich gelernt habe

Inzwischen habe ich diesbezüglich mehr Selbstvertrauen gewonnen. Ich genieße Gespräche und lege nicht mehr jedes Wort auf die Goldwaage. Mir fallen Dinge ein, die ich beitragen kann und ich suche das Gespräch. Ich bin nicht mehr ganz so verkopft und ernsthaft. Allerdings hänge ich zu sehr am Schreiben, um ein totaler Sprechmensch zu sein. Vielleicht bin ich ein Wortmensch geworden.

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mm
Autor

mag Zimt, Zitate und Kurzgeschichten, würde gerne mal in ein Taxi steigen und sagen: "Bitte folgen Sie dem Wagen da vorne!"

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